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Die Fledermaus als Kulturphänomen
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Nicht nur die Biologie einer Tierart bzw. -ordnung ist interessant, auch ihre "Rezeption" in der menschlichen Kultur ist es: Welche Vorstellung von einem Tier und welches Verhältnis zu ihm wir Menschen haben, ist für dessen Überleben auf unserem Planeten oft von entscheidender Bedeutung. Das Image der Fledermaus hat in der westlichen Kultur eine erstaunliche Wandlung durchgemacht: von mythischen, unheilbringenden, unheimlichen und teuflischen Wesen bis hin zu Batman, dem heimlich wirkenden Helden, Plüschtieren im Kinderzimmer und Mode-Vampiren im Internet ...

1. Aberglaube in den Kulturen der Welt

Das Schriftzeichen fú für 'Fledermaus'
Das Schriftzeichen fú für 'Glück'

Schon die frühesten Zeugnisse menschlicher Kunst belegen, daß der Mensch seinen Mitgeschöpfen immer schon magische Eigenschaften zuschrieb: Höhlen- und Felsbilder, Mythen und Fabeln beschreiben die verschiedenen Tierarten weniger naturalistisch als vielmehr als Verkörperungen guter wie böser Gottheiten und auch Verwandte des Menschen. Der Einsatz von Körperteilen verschiedener Tierarten und Tierdarstellungen in Bildern und Skulpturen, Schmuck, Masken und Kostümen stellen Versuche der Naturvölker dar, sich deren natürliche oder magische Kräfte zu sichern. Auch in der heutigen – wie wir glauben – aufgeklärten westlichen Zivilisation werden viele Tierarten ganz unreflektiert mit menschlichen Eigenschaften belegt:

Der "majestätische" Adler, die "fleißige" Ameise, die ebenso "fleißige" Biene, die "diebische" Elster, der "störrische" Esel, die "weise" Eule, der "edle" Falke, der "schlaue" Fuchs, der "feige" Hase(nfuß), die "falsche" Katze, der "eitle" Pfau, die ebenfalls "falsche" Schlange, das "dreckige" und "faule" Schwein, der "freche" Spatz, das "flinke" Wiesel, der "böse" Wolf etc. sind sprichwörtlich und jedem von uns ein seit Jahrhunderten tradierter Begriff. Alle diese Tiere werden auf die eine genannte Eigenschaft, ganz selten auch auf zwei Eigenschaften reduziert: Schon in der Antike nutzte die Literaturgattung der Fabel diese einseitige Verallgemeinerung menschlichen Denkens und Fühlens, um einzelne menschliche Eigenschaften bildhaft (metaphorisch) literarisch darzustellen. Mit der Wirklichkeit hat das, wie die Verhaltensforschung längst weiß, natürlich nichts zu tun.

Fledermäusen wird kein bestimmtes Attribut zugeordnet – kein Wunder, da man jahrhundertelang keine Erfahrungen mit ihren Lebensweisen sammeln konnte. Das hat die Menschen allerdings nicht gehindert, sich Vorstellungen über das Wesen der nächtlichen Jäger zu machen; wo es an Erfahrung und Wissen mangelt, blüht die Phantasie. Ein Streifzug durch die Geschichte der menschlichen Kulturen zeigt, daß auch Fledermäuse ihr Image¹ haben – und meist ein schlechtes:

Das Verhältnis des modernen, westlichen Menschen zu den Fledermäusen ist im Alltag kaum noch von heidnischem oder christlichem Aberglauben geprägt, sondern vor allem von Pragmatismus: Er begegnet ihnen – wenn überhaupt – in Haus und Garten kaum anders als Spinnen, Mäusen, Vögeln, Igeln und Maulwürfen: Entweder er nimmt eine neutrale Position ein und pflegt eine friedliche Koexistenz mit solchen Mitbewohnern, oder er sieht sie als Lästlige, die nur Schmutz, Krankheitskeime oder Unordnung bringen, oder er sieht sie von der allgegenwärtigen Naturzerstörung bedroht und setzt sich für ihren Schutz Fledermausschutz ein.
    Jenseits des Alltags aber lebt die Fledermaus in der fiktionalen Literatur und Filmkunst weiter ...

2. Vampirismus und Graf Dracula

Das Wort Vampir stammt vermutlich aus dem Serbokroatischen und gelangte über das Deutsche und Französische schließlich auch in die englische Sprache. Ein Vampir ist im slawischen, rumänischen und griechischen Volksglauben ein Toter, der nachts seinem Grab entsteigt und an lebenden Menschen Blut saugt. Dem liegt die ehemals verbreitete Vorstellung von "Untoten" oder "Wiedergängern" zugrunde, die aufgrund einer ungesühnten Schuld im Grabe keine Ruhe finden. Vampire ließen sich angeblich mit Talismanen, Kreuzen oder Knoblauch abwehren, ihre Vernichtung war nur durch Verbrennen oder mit Pfählen möglich, die man ihnen durchs Herz trieb, oder auch durch das Tageslicht. Seit der Entdeckung Amerikas (1492) werden diese Geister auch mit den auf die Neue Welt beschränkten sogenannten Vampirfledermäusen (Desmodontidae) in Verbindung gebracht, die nachts an Weidetieren Blut lecken und auch den Menschen beißen können.
    Seit die europäische Aufklärung des 18. Jahrhunderts die moderne Wissenschaft begründete, wird der Vampirismus als schauriger Aberglaube der Vergangenheit belächelt. Gleichzeitig jedoch regte er die Phantasie der Kulturschaffenden an und hatte großen Anteil an der Etablierung des phantastischen bzw. Horror-Genres vor allem in Literatur und Film:

  1. Literaturgeschichte
    Das Motiv des bluttrinkenden Vampirs war seit dem frühen 19. Jahrhundert bekannt, erst die Titelfigur des Romans von Bram Stoker machte Dracula 1897 zu seinem Synonym:
  2. 1798 Die Braut von Korinth von Goethe
    1810 The Vampyre, A Tale von John William Polidori
    1820 Eine gräßliche Geschichte, in: Die Serapionsbrüder, 3. Band, von E. T. A. Hoffmann
    1835 Der Wyj (The Vij) von Nikolaj Vasiliev Gogol, der sich auf Ukrainische Volksmärchen beruft
    1847 Die Familie der Wurdalaken von Alexej K. Tolstoj
    1847 Varney the Vampire or the Feast of Blood: Serie von Kolportageromanen von Thomas Prest
    1872 Carmilla (Carmilla, der weibliche Vampir) von Joseph Sheridan LeFanu
    1887 Le Horla von Guy de Maupassant
    1897 Dracula, der klassische Vampir-Roman von Bram Stoker Bram Stokers Dracula – häufig variiert und verfilmt.

  3. Filmgeschichte
    Der Film entwickelte schon bald nach seiner Entstehung mit Georges Méliès' Voyages Imaginaires (1902) das Genre des Fantasy-Films. Dieses erlebte seinen Durchbruch 1914 mit dem Horrorfilm Golem (von Paul Wegener und Henrik Galeen). Schnell wurde auch das Motiv des Vampirs bzw. Dracula aufgegriffen, und schon 1922 entstand mit Nosferatu ein Horror-Klassiker. Seither wurde das Thema in einigen ernsthaften Werken, vor allem aber in zahlreichen trivialen Sensationsstreifen variiert, etwa 1958 mit Christopher Lee. Dracula wurde so neben Frankensteins Monster und vor dem Werwolf und diversen Zombies zur populärsten Figur des Horrorfilmes.
  4. 1915 – 1916: Die Vampire: zehnteilige Serie von Louis Feuillade
    1921 Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens, berühmter Stummfilm von Wilhelm Murnau mit Max Schreck in der Rolle des Vampirs
    1930 Dracula von Tod Browning
    1932 Vampyr – Der Traum des Allan Gray von Carl-Theodor Dreyer (nach der Erzählung von LeFanu)
    1957 Dracula von Terence Fisher, mit Christopher Lee
    1962 Der Kuß des Vampir von Don Sharp
    1963 I Tre Volti della Paura Black Sabbath v. Mario Bava (1 der 3 Geschichten: Tolstojs Wurdulaken)
    1965 Blut für Dracula von Terence Fisher, mit Christopher Lee
    1966 Tanz der Vampire von Roman Polanski
    1974 Warhols Dracula von Andy Warhol (Andrew Warhola)
    1979 Dracula von John Badham (nach Bram-Stokers Dracula)
    1979 Nosferatu – Phantom der Nacht von Werner Herzog mit Klaus Kinski als Vampir (basiert auf Bram Stokers Roman von 1897 wie auch auf Fritz Murnaus Stummfilm von 1922)
    1992 Dracula (Bram Stoker's Dracula) von Francis Ford Coppola mit Anthony Hopkins
    1994 Interview mit einem Vampir von Neil Jordan

  5. Musikgeschichte
  6. 1828 Der Vampyr, Oper von Heinrich Marschner
    1995 DRACUL – The Musical, Musik von Kerry Michael Warren, Welturaufführung in San Diego
    1997 Tanz der Vampire – Das Musical von Roman Polanski, Welturaufführung in Wien

  7. Der heutige Vampirkult
    Das Vampirbuch
    Der Vampirismus des Internet-Zeitalters hat mit Fledermäusen oder Dracula fast nichts (mehr) zu tun, aber viel mit Lifestyle, mit Abgrenzung gegen das Normale und die Welt der Erwachsenen. Er hat eine Schnittmenge mit der "Goth"-Szene, und beide Kulturen lassen sich von Uneingeweihten kaum auseinanderhalten. Äußere Attribute sind schwarze (manchmal löchrige) Kleidung sowie schwarze Haare, aber weiße Schminke, Piercings und ungewöhnlicher Schmuck, gepaart mit "coolem" oder unausgelassenem bis melancholischem Auftreten; im Verborgenem, Dunklen aber herrschen oft Magie und Leidenschaft. Fledermäuse werden hier weder gehaßt noch verehrt, sie sind bestenfalls modisches Accessoire. Wer dieses Phänomen zu Beginn des 21. Jahrhunderts erkunden möchte, findet mittels einer Internetsuchmaschine schnell Zugang, tieferes Eindringen in diese faszinierende Welt setzt aber vermutlich eine gewisse Prädisposition voraus.
        Eine umfassende Einführung in den "Vampirismus" bzw. "Vampyrismus" heutiger Tage bietet Das Vampirbuch Das Vampirbuch von Ditte & Giovanni Bandini: Das dtv-Taschenbuch spannt einen großen Bogen vom realen historischen über den literarischen & cineastischen Dracula, den Aberglauben und die unzähligen Vampirgeschichten, über Werwölfe, Hexen und Elfen zur heutigen Vampirszene. Nur eines darf man von dem Büchlein nicht erwarten: die Erklärung, wie und warum Vampire mit Fledermäusen identifiziert wurden. Wir wissen nur, wann es begann:

Als Bram Stoker (1847–1912) seinen Horror-Klassiker Dracula schrieb, verknüpfte er die damals bekannten VampirgeschichtenVampirliteratur mit deutschen Berichten aus Siebenbürgen über eine historische Figur des 15. Jahrhunderts: den grausamen walachischen Fürsten Vlad III Dracula (ca. 1431–1476). Hobbyhistoriker können sich Vlads Zeit und Lebensgeschichte einmal genauer anschauen Vlad Dracula, und Hobbyliteraten können erkunden, welch untergeordnete Rollen ein Hund, ein Wolf und auch eine Fledermaus in dem Roman spielen Bram Stokers Dracula.

Spielzeug-Dracula - eher süß als gefährlich   Batman mit Fledermaus-Logos   Batman mit Fledermaus-Umhang
Spielzeug-Dracula mit Zylinder und Schirm – eher süß als gefährlich   Vorbild für Mut & Stärke: Batman einmal mit Fledermaus-Logos und einmal mit Fledermaus-Umhang  

3. Batman, der positive Held

1939 erschien in der Comic-Zeitschrift Detective Comics die erste Batman-Geschichte der amerikanischen Autoren Bill Finger und Bob Kane. In seinem grau-violetten Kostüm mit großem Fledermauszeichen auf der Brust und mit einer Fledermaus-Maske mit spitzen "Ohren" springt Batman seither seinen Mitmenschen bei Gefahr helfend zur Seite. Wie ein weiterer bekannter amerikanischer Comic-Held, Superman, und der Rächer mit der schwarzen Maske, Zorro (Filme 1920 und 1940), führt er eine Doppelexistenz und vollbringt seine guten Taten incognito. Nach einer 120 Folgen langen mittelmäßigen Fernsehserie in den sechziger Jahren wurden seit 1989 mehrere Batman-Kinofilme mit international bekannten Schauspielern gedreht. Die Figur des Batman ist bemerkenswert, denn wie Zorro bricht sie mit mehreren Gemeinplätzen (Klischees, Topoi):

Natürlich hat sich die Spielzeug-Industrie längst der Figur des Batman bemächtigt: Kinder identifizieren sich gerne mit dem (un)heimlichen Helden. Das trifft allerdings auch auf vermeintliche Negativ-Helden, etwa kleine Dracula-Figuren zu.

4. Plüschtier und Spielzeug

Ein emotionales wie auch pragmatisches Verhältnis zu einer Tierart erweist sich durch ihre Vereinnahmung als Kinderspielzeug: Diese ist nur möglich, wenn keine oder kaum Vorbehalte der Eltern gegen die jeweilige Tierart vorliegen. Lange Zeit waren im wesentlichen nur die Haustiere des Menschen und einige Wildtiere Vorbilder für Spielzeug, besonders wenn sie keinem überlieferten Feindbild entsprachen und sich irgendwie mit großen runden Köpfen und Augen in das bekannte "Kindchenschema" pressen ließen: Schaukelpferd, Schaf, Kuh, Ente, Hahn, Teddybär, Affe, Kaninchen, Schildkröte, Jumbo etc. Zugleich mit der Ausbreitung des Umweltschutzgedankens tauchten aber zunehmend Tiere in den Kinderzimmern auf, die zuvor entweder als gefährlich oder schädlich gegolten hatten oder aufgrund ihrer Seltenheit gar nicht bekannt gewesen waren: Fuchs, Okapi, Schlangen, Schnabeltier, Schneeleopard, Tiger, Wildschwein, Wolf etc. Da wundert es nicht, daß bald auch die Fledermaus an der Reihe war, mit stark gekürzten Flügeln und gestutzter Schnauze die Kinderzimmer zu erobern. Kinder können seither in entspannter Einstellung zu einer Tiergruppe aufwachsen, die sie vielleicht nie zu Gesicht bekommen werden ...

5. Brieftaube der Nacht: eMail-Programm

eMail-Programm THE BAT!  

Die Brieftaube wird allgemein wie das Posthorn oder der Briefumschlag als Postsymbol verstanden. Da lag es nahe, als Symbol für die unsichtbare elektronische Post eine Tiergruppe zu verwenden, die meist unbeobachtet durch die Nacht fliegt: die Fledermäuse.
    Die moldawische Firma Ritlabs entwickelte 1997 mit THE BAT! ein üppig ausgestattetes eMail-Programm, das sich in Funktionsumfang und Bedienung mit den besten Programmen dieses Typs messen kann und sie sogar übertrifft: Mit dem "Postfachinspektor" hat es eine Funktion an Bord, die es ermöglicht, die eingegangenen eMails schon auf dem Server zu sichten und dann nach Wunsch entweder herunterzuladen oder zu löschen. Spam-Mails und andere unerwünschte Post landen so gar nicht erst auf der Festplatte. Lange Zeit hatte der eMail-Client eigentlich nur einen "Schönheitsfehler": Es gab keine deutsche Hilfefunktion. In der mittlerweile (2014/15) sechsten Programmversion ist dieser Mangel behoben.
    Wer mehr wissen möchte, sollte auf die nebenstehende Grafik klicken!


Deutsche Briefmarke 1999

6. Geschützte Arten

Ein emotional-positives und zugleich rationales Verhältnis zu Fledermäusen entstand erst in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts: Wissenschaftler erkannten die wichtige Rolle dieser Tiere für das natürliche Gleichgewicht wie auch ihre akute Gefährdung und Vernichtung (u. a. durch die Vergiftung der Umwelt) und schlugen Alarm, der bei Naturschützern schnell auf fruchtbaren Boden fiel und schließlich auch – wenn auch zögerlich – bei Politikern Gehör fand. Seither ist Fledermausschutz Fledermausschutz im öffentlichen Bewußtsein "etabliert" und genießt eine ähnliche Achtung wie der traditionelle Vogelschutz: Fledermauskästen an Bäumen sind beinahe ebenso selbstverständlich wie Vogelnistkästen, und alte Bäume mit Höhlen sowie Stollen und alte Gemäuer werden zunehmend als Fledermausquartiere in Betracht gezogen. So werden am Ende unsere Fledermäuse also doch noch nüchtern als das wahrgenommen, was sie immer schon waren: eine Gruppe von Tieren – und eine gefährdete und schützenswerte dazu.
    Die Deutsche Post hat dem 1999 in ihrer Reihe "Bedrohte Tierarten" mit einer Fledermaus-Briefmarke Rechnung getragen. Falls die Aktivitäten der Bundes- und Landespolitik über diesen postalischen Appell hinausgehen, haben unsere Fledermäuse tatsächlich eine Chance zu überleben.


¹ Die Angaben stammen vor allem von Fledermäuse – Fliegende Kobolde der Nacht Richarz & Limbrunner: Fledermäuse – Fliegende Kobolde der Nacht.
² Schriftzeichen für mit Unterstützung des Museums für Ostasiatische Kunst in Köln

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