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Fledermaus-Forschung

Fledermäuse sind auch heute noch recht "unbekannte Wesen" – trotz der großen Fortschritte, die mittlerweile mit moderner Technik erreicht wurden. Diese Erkenntnisdefizite haben natürlich mit der nachtaktiven, aus menschlicher Sicht heimlichen Lebensweise dieser Tiere zu tun: Während Vögel oft mit dem bloßen Auge aus nächster Nähe und mit dem Fernglas oder gar Spektiv auch aus größerer Entfernung bequem zu beobachten sind, entziehen sich Fledermäuse meist unseren neugierigen Blicken. Zwar sind sie, eine schwache Lichtquelle vorausgesetzt, bei der Jagd leichter zu beobachten als andere nachtaktive Säuger; sie erst einmal zu entdecken ist jedoch bei Dunkelheit und ohne Bat-Detektor sehr schwer, und ihre Hangplätze sind meist unbekannt. Dabei gibt es noch viele Fragen zu klären – beispielsweise:

Um solche und andere Fragen klären zu können, kommt angesichts der prekären Situation unserer Fledermauspopulationen eine Entnahme gesunder wildlebender Tiere aus der Natur kaum noch in Frage. Forschung ist daher nur mit drei Gruppen vertretbar:

  1. freilebenden Fledermäusen, die mit Bat-Detector und Taschenlampe in ihren Jagdrevieren und Quartieren geortet und störungsfrei (!) kartiert "Bat-Detektoren" und deren Kot und Quartiere untersucht werden."Bat-Detektoren"
  2. Pfleglingen, die durch eine Verletzung, Schwächung oder Krankheit in menschliche Hände geraten sind und entweder nicht mehr fliegen können oder sich aus anderen Gründen (z. B. weil sie aufgrund einer Fehlprägung nicht jagen können) nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg auswildern lassen;Pfleglinge
  3. markierten Fledermäusen, bei denen es sich oft um ehemalige, genesene Pfleglinge oder deren Nachwuchs in menschlicher Obhut handelt.Markieren

1. Orten von Fledermäusen

Bat-Detektor

Da man Fledermäuse nachts kaum oder gar nicht mit bloßem Auge sieht, muß man dem schwachen menschlichen Auge entweder mit einem Restlichtverstärker nachhelfen oder sich – ganz nach Fledermausart – mit dem Hörsinn behelfen. Da menschliche Ohren die Rufe der Fledermäuse kaum und ihre Echos überhaupt nicht hören, braucht der Forscher ein elektronisches "Hörgerät": einen Ultraschall-Empfänger, neudeutsch auch "Bat-Detektor" genannt. Ein solcher Detektor macht die im Ultraschall-Bereich ausgestoßenen Laute für uns Menschen hörbar und dient der Ortung ("Detektierung") nicht nur von Fledermäusen, sondern auch von Spitzmäusen, Heuschrecken und Nachtfaltern. Es gibt drei grundsätzliche Empfangsmethoden:

Frequenzwahl- bzw. Mischerverfahren,
nach dem technischen Prinzip auch Heterodynverfahren
Mit diesem Verfahren wird die Originalfrequenz der Ultraschallrufe in den für das menschliche Ohr optimal hörbaren Bereich von etwa 1–2 kHz herabtransformiert und das frequenzbezogene Maximum des Schalldrucks – auch Hauptfrequenz oder Energiemaximum genannt – durch Abtasten mit dem Frequenzwähler ("Tuner") akustisch bestimmt. Die Absenkung der Frequenz erfolgt durch Überlagerung (Interferenz) der am Tuner eingestellten Ultraschallfrequenz mit der Frequenz des Fledermausrufes, wodurch zwei neue Frequenzen entstehen: Summe und Differenz. Die hohe Frequenz (= Summe) wird herausgefiltert, die niedrige (= Differenz) wird verstärkt und über Kopfhörer oder Lautsprecher ausgegeben.
    Die Tuner-Einstellungen und Beobachtungsumstände werden über das Detektormikrophon auf dem Frequenzwahlkanal, der zu diesem Zweck umschaltbar ist, eingesprochen.
    Nachteilig beim Mischer-Verfahren ist, daß sich damit nur ein kleiner, indirekt einstellbarer Frequenzbereich empfangen läßt, so daß nur Fledermausrufe wahrgenommen werden, deren Frequenz der Einstellung des Frequenzwählers ± 5kHz entspricht. Außerdem können aus den nach diesem Verfahren auf Tonträgern aufgezeichneten Rufreihen keine Rückschlüsse auf die von der betreffenden Fledermaus ausgesandten Originalfrequenz hergeleitet werden. Anderseits bleibt die Charakteristik der Ortungsrufe weitgehend erhalten. Aus dem Klangbild der hörbaren Frequenz können erfahrene Spezialisten sogar auf die Fledermausart schließen, wenn sie zugleich das Habitat, Flugbild und sonstige Verhalten des Tieres kennen.
 
Frequenzteilverfahren
Die Originalfrequenz wird durch dieses Verfahren ständig durch 10 geteilt, wodurch ein weiter Frequenzbereich von z. B. 10–80 kHz in einen hörbaren Bereich von 1–8 kHz herunterskaliert wird, ohne daß sich das Verhältnis der Frequenzen zueinander ändert. So entfällt die Notwendigkeit, den Frequenzbereich des Gerätes dem der jeweils gesuchten Fledermaus anzupassen: Alle von den gerade anwesenden Fledermäusen ausgestoßenen Rufe werden unabhängig von ihren Frequenzen hörbar und ihre Frequenzverläufe in einer späteren Analyse genau bestimmbar gemacht.
    Das Frequenzteilverfahren ist allerdings nicht so empfindlich wie das Frequenzwahlverfahren – die Ortungsrufe werden nur durch ein unspezifisches Klicken wiedergegeben, so daß eine Artbestimmung "vor Ort" kaum möglich ist – allenfalls am PC ist eine weitere Analyse möglich. Außerdem werden auch alle Störgeräusche wahrgenommen, etwa im Herbst das Stridulieren der Heuschrecken, das die Auswertung stark behindert.
 
Zeitdehnverfahren
Dieses Verfahren setzt die Speicherung der Ultraschallrufe auf einen Tonträger zwingend voraus. Die Aufnahmen werden ungemischt und ungeteilt, aber zeitversetzt zehnfach gedehnt wiedergegeben: eine Rufsequenz etwa von drei Sekunden wird also während 30 Sekunden. Da eine 10fache Verlangsamung einem Zehntel der Original-Frequenz entspricht, wird der Ruf einer Fledermaus für Menschenohren hörbar. Das Signal läßt sich am PC akustisch und auch optisch als Sonogramm wiedergeben. Die Analyse offenbart alle Feinheiten (Frequenz, Lautstärke etc.) des Fledermausrufes.

Hochwertige Detektoren können nach mehreren Verfahren gleichzeitig arbeiten und neuerdings sogar Fledermausrufe grafisch darstellen (mittels Sonogramm mit individuell einstellbarer Auflösung). Kommerzielle Geräte können wegen der geringen Stückzahlen sehr teuer sein (über 1.000 €), Ultraschall-Empfänger lassen sich aber auch selbst bauen – besonders die ersten beiden Typen. Herr Pliquett (eMail) verkauft gelegentlich selbsthergestellte Mischer-Empfänger.
    Sonogramme der Rufe einiger Fledermaus-Arten finden sich auf einer weiteren Seite Sonogramme.

Kot in einem Flachkasten
Blick von unten in einen Flachkasten. An der Querleiste (oben) kleben kaum sichtbar Kotkrümel.

2. Kot und Quartiere

Aufschlußreich für die Forschung sind neben den Tieren selbst auch die Orte, an den sie sich aufhalten, und das, was sie uns hinterlassen: ihre Winter- und Sommerquartiere, ihre heruntergefallenen und verhungerten Artgenossen – vor allem Kinder – unter ihren Hangplätzen und ihr Kot dort.

3. Forschung mit Pfleglingen

Fledermäuse können in menschlicher Obhut recht zahm werden. Das gilt vor allem für Jungtiere, die aufgrund eines Unfalls oder einer Schlechtwetterperiode gefunden werden und in Pflege kommen, sowie solche, die erst in einer Pflegestation geboren werden: Da sich Fledermäuse lange vor der Schwangerschaft bereits im Herbst des Vorjahres paaren, kommt es auch bei genesenden Weibchen in der Wärme ihres Pflegequartiers immer wieder zu Ovulationen und Geburten. Die artgerechte Haltung von Fledermäusen zu Forschungszwecken setzt u. a. voraus:

Forschung an Pfleglingen kann, wenn die Haltung artgerecht und erfolgreich ist, bereits viele Daten liefern, die in der Natur nur mit Mühe oder dem Risiko gewonnen werden können, die Tiere nachhaltig zu stören. Die Haltung in einem offenen Quartier eröffnet aber auch die Chance, wilde Fledermäuse zu beobachten, die sich oft von den Rufen ihrer Artgenossen anziehen lassen und das Quartier mit ihnen teilen. Flugunfähige Männchen haben sich z. B. im Herbst in solchen Quartieren mit wilden Weibchen gepaart ...

4. Markieren von Fledermäusen

Eine bewährte Methode, etwa die Wanderwege freilebender Tiere zu verfolgen, ihr Alter zu bestimmen und ihr Sozialverhalten und andere Verhaltensweisen zu erforschen, besteht in der individuellen Markierung einzelner Individuen. Dafür gibt es verschiedene Techniken:

Fledermaus-Klammern
In der Ornithologie hat die individuelle Markierung Tradition: Vögel werden seit Jahrzehnten gefangen und beringt, die einheitlich markierten Alu- oder farbigen Kunststoffringe werden über die noch biegsamen Zehen der Nestlinge geschoben und umschließen die nackten Läufe vollständig und locker. Die Ringe werden bei Totfunden oder mit dem Spektiv sogar an lebenden Exemplaren abgelesen und an eine Zentrale gemeldet, wo die eingehenden Daten gesammelt und ausgewertet werden.
    Als kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die ersten Fledermäuse "beringt" wurden sollten, stellte ihre Anatomie allerdings ein natürliches Hindernis dar: Die Flughaut setzt fast am ganzen Körper an, nur Kopf und Hals bleiben frei. Ein geschlossener Ring ist also nur als Halsband möglich, das aber für serienweise Markierungen einen zu großen Fremdkörper darstellt. Folglich steckte man offene Ringe auf die langen Unterarme (die bei Fledermäusen bekanntlich nur einen Knochen haben Fledermaus-Anatomie) und drückte sie so weit zusammen, daß sie nicht mehr abfallen konnten. Der Nachteil solcher Vogelringe ist offensichtlich: Die beiden Metallkanten scheuern auf der Flughaut und können diese verletzten.
    Fledermäuse werden aber heute nicht "beringt", sondern "geklammert": Die Enden der offenen Ringe wurden zu parallel auslaufenden Laschen erweitert, die so entstehenden Klammern lassen sich auf die Unterarme stecken und durch leichtes Andrücken fixieren. Diese Laschen lassen sich zudem farbig markieren oder mit winzigen Reflektoren bekleben, die nachts aufleuchten.

 
Microchips
Winzige Datenchips werden bereits Haustieren unter die Haut implantiert, um ihre Identifizierung bei Verlust bzw. Diebstahl zu erleichtern. Aufgrund ihres sehr geringen Gewichts kommen sie auch für Fledermäuse in Frage. Die ständigen Fortschritte der Microelektronik lassen künftig interessante Anwendungen für Microchips erwarten.

 
Telemetrie
Eine Markierungsmethode nach Fledermausart ist die Telemetrie: Einem Tier wird ein Halsband mit Sollbruchstelle umgelegt, das irgendwann abfällt. Das Halsband trägt einen aktiven Sender mit Antenne, mit dem sich die Fledermaus jederzeit orten läßt. Quartierwechsel in einem begrenzten Areal lassen sich so leicht registrieren.
    Der Autor wurde in idealem Terrain selbst Zeuge eines solchen Projekt: im riesigen Nationalpark BiaÍowieza in Ostpolen. Dieser Urwald mit seinen Baumriesen, Wisenten und vielen anderen bemerkenswerten Pflanzen und Tieren ist heute sich selbst überlassen, das einzige künstliche Element ist ein Wegenetz von etwas über 1 km Rasterweite, das einst der russische Zar zu Jagdzwecken anlegen ließ. Diese Wege können Biologen bequem mit dem Rad abfahren: eine Hand am Lenker, in der anderen die Telemetrie-Antenne ...

 
Fellmuster
Eine etwas altmodisch anmutende Markierungsmethode sind individuell unterschiedliche Schnittmuster im Fell: Wenn sich eine Fledermaus in Lethargie befindet, schneidet man ihr vorsichtig ein Muster ins Fell, das sich mit dem nächsten Haarwechsel wiederauswächst. Es dürfen nur kleine Partien entfernt werden, um den Wärmehaushalt des Säugetiers nicht zu beeinträchtigen.
    Denkbar wäre auch das Auftragen eines Farbmusters, wie es bei anderen Tieren praktiziert wird. Aufgetragene und angetrocknete Farbe würde jedoch schnell abgekratzt oder gar mit dem Maul aufgenommen.

 

Für die Forschung ist es sehr wichtig, daß markierte Tiere, die gefunden werden, zumindest aber die Markierung selbst (Klammern, Sender) einer Zentrale für Fledermausforschung übergeben werden.

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